Alles schon mal da gewesen. Kurzgeschorene Harre- hatten wir schon. Breite Krawatten- hatten wir schon. Schlaghosen- auch schon da gewesen. Dass wir aber die Wiedergeburt des Hexenhammers erleben müssen- das glaubt kein Mensch.
Und dennoch. Aus der Pressemitteilung des Bundesgerichtshof Nr. 79/12 vom 31.5.2012 ergibt sich ein Sachverhalt, der die Düsternis der Hexenverfolgung in unsere Zeit holt. Ein Richter zur Probe war wohl von der Schuld des Angeklagten derart überzeugt, als dass er diesen zu einem Geständnis bringen wollte. Der Angeklagte gestand seine Schuld aber zunächst nicht ein. Dies erregte den Richter auf Probe und führte zu einem “Verfahrensfortgang” der sich in der Pressenotiz des BGH folgendermaßen liest:
Der Angeklagte (d.i. der Proberichter; d. Verf.) forderte den Beschuldigten in zunehmend erregter Form auf, ein Geständnis abzulegen. Schließlich unterbrach er unvermittelt die Sitzung, sagte zum damaligen Beschuldigten: “Sie kommen jetzt mit! Ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann.”, und begab sich – mit angelegter Robe – mit dem Beschuldigten und einem Wachtmeister in den Keller des Amtsgerichts, wo sich mehrere Gewahrsamszellen befanden. Er veranlasste den vollständig verunsicherten Beschuldigten, sich in eine Zelle zu begeben, die daraufhin geschlossen wurde. Nach etwa 20 Sekunden wurde die Tür auf Veranlassung des Angeklagten wieder geöffnet. Während dieser Zeit war die Türe von dem Zeugen nicht mehr zu öffnen.
Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung gab der damalige Angeklagte alles zu, wurde verurteilt und verzichtete auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Das Landgericht Kassel sprach den, wegen Rechtsbeugung angeklagten Richter zunächst frei, der BGH hob dieses Urteil zurecht auf (vrgl. Pressenotiz).
Erschütternt ist, dass im drittenTeil des Hexenhammers, dort unter der vierzehnten Frage nachzulesen ist:
…daß, wenn der in mäßiger Weise peinlich Verhörte die Wahrheit nicht hat gestehen wollen, vor ihm andere Arten von Folterwerkzeugen mit den Worten hingelegt werden, daß er sie aushalten müsse, wenn er die Wahrheit nicht gestehe. Wenn er auch so nicht in Furcht gesetzt oder zur Bekennung der Wahrheit gebracht werden kann, dann wird in seiner Gegenwart das Urteil auf Fortsetzung des peinlichen Verhörs und der Folter (…angeordnet; d.Verf.) [Zitat nach: Sprenger,Insistoris; Malleus Maleficarum; deutsche Übersetzung von J.W.R. Schmidt; WBG 1980; Nachdruck der 1.Auflage von 1906]
Wir sind in unserer Rechtskultur dem Mittelalter mitunter sehr viel näher als wir glauben. So jedenfalls scheint es. Beruhigend ist, dass es noch Staatsanwälte und Gerichte gibt, die derartigem entgegentreten. Aber nicht nur die Justiz, wir alle sind gefordert (siehe auch hier Legal Tribune Online; noch eine Fundstelle im beck-blog)
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